Geld verschenken will gelernt sein
Von Stefan Küper
Der Mangel an Erfolgskontrolle führt dazu, dass viele Stiftungen häufig ihre Finanzmittel verschwenden. Unternehmerisches Denken ist das Credo, das Missmanagement verhindern soll.
Geld verschenken kann jeder. Aber nicht jeder verschenkt so viel wie deutsche Stiftungen: Allein 2001 flossen rund 18 Mrd. Euro an Projekte, Initiativen und Vereine. Zur Förderung der Kultur, Wissenschaft, Bildung oder für soziale Zwecke, heißt es dann. Aber was wird mit dem Geld konkret erreicht? Vor allem viele kleine Stiftungen wissen es oft nicht. "In Teilen der Stiftungsszene herrscht eine Schenker-Mentalität, die dazu führt, dass häufig Geld aus dem Fenster herausgeworfen wird", sagt Christian Meyn, Projektmanager bei der Bertelsmann Stiftung.
Das Problem steckt tief verwurzelt im Selbstverständnis der meisten Stiftungen. Der Stifter möchte Gutes tun. Dass gute Taten jedoch professionelles Management erfordern, wird ignoriert. Wie findet eine Stiftung das zu ihrem Stiftungszweck passende Projekt? Wie sichert sie die wirtschaftliche Durchführung? Wie kann sie den Erfolg des unterstützten Projekts überprüfen? "Das sind Fragen, die in vielen Stiftungen nicht gestellt werden", kritisiert Christian Meyn.
Beispiel Entwicklungshilfe
Die Berliner Stiftung Umverteilen! fördert kleine Projekte in Entwicklungsländern überall auf der Welt. Zumeist handele es sich um Fördersummen im Bereich zwischen 5000 Euro und 10.000 Euro, berichtet ein Mitarbeiter: Unterstützung eines Frauenkollektivs in Chile oder Ausrüstung eines privaten Radiosenders in Afrika. Immerhin: Von den Empfängern werden Quittungen und ein Bericht über die Verwendung der Fördergelder verlangt. Ob das Frauenkollektiv sinnvolle Arbeit leistet und ob der Radiosender eine nennenswerte Zahl von Hörern hat, kann die Stiftung im Einzelfall nicht überprüfen. "Wir versuchen, über jeden Antragsteller möglichst viele Informationen zu bekommen, um Missbrauch auszuschließen", sagt ein Mitarbeiter. "Aber nach der Förderung müssen wir uns auf den eingereichten Bericht verlassen. Ein Restrisiko bleibt."
Ein solches Restrisiko geht fast jede Kleinstiftung ein. Anders als bei Umverteilen! sind sich jedoch viele dessen noch nicht einmal bewusst. Oft werben kleine Stiftungen sogar damit, dass jeder Cent direkt in die Förderungen fließt. Im Klartext heißt das: Die Stiftung lebt von ehrenamtlicher Arbeit. Aber "eine vernünftige Evaluation ist sehr aufwändig und kompliziert", gibt Hannah Jacobmeyer, Projektleiterin bei der Zeit-Stiftung, zu bedenken. "Wie will eine Stiftung das mit ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeitern schaffen?" Gar nicht, antwortet Karsten Timmer von der Stabsstelle Stiftungswesen der Bertelsmann Stiftung. "Die Erfolgsmeldung erschöpft sich in einem Dankesbrief mit ein paar Sätzen über die Verwendung des Geldes." Leider keine Einzelfälle.
Druck zur Professionalisierung wächst
Doch der Druck zur Professionalisierung wächst. Allein in den vergangenen drei Jahren nahm die Zahl der rechtsfähigen Stiftungen um fast ein Viertel auf über 12.000 zu. Die Folge: Es entsteht ein Markt, auf dem Stiftungen nicht nur um Spenden, sondern auch um Partner für Projekte und Initiativen konkurrieren, die sie mit ihrem Geld fördern wollen. Sowohl der Spender als auch seriöse Initiativen und Vereine können sich den Luxus erlauben, wählerischer zu werden. "Der aufkommende Konkurrenzdruck erhöht auch den Druck von außen, über die Wirkung der Stiftungsarbeit Rechenschaft abzulegen", sagt Hannah Jacobmeyer.
Erfolgsmessung als Vorteil im Wettbewerb um die gute Tat. Bei den Großen der Branche ist diese Botschaft mittlerweile angekommen. Sie haben in den vergangenen Jahren Verfahren entwickelt, mit denen eine möglichst wirkungsvolle Verwendung der Fördergelder gesichert werden soll. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) zum Beispiel, eine der größten Förderstiftungen Deutschlands, hat einen Pool von Wissenschaftlern zur Begutachtung und Auswahl ihrer Projekte eingestellt. Bevor eine Projektidee gefördert wird, überprüfen sie verschiedene Fachleute mindestens zweimal. So konnten im Projekt "Kirchengemeinden für die Sonnenenergie" mehr als 700 Kirchen und kirchliche Einrichtungen mit Hilfe der DBU mit Solaranlagen ausgestattet werden.
Beispiel amerikanische Modelle
Ist, wer sich das nicht leisten kann, also zum Missmanagement gezwungen? Sicher nicht, sagt Stiftungsberater Hans-Dieter Weger: "Wenn sich eine kleine Stiftung ein realistisches Tätigkeitsfeld vornimmt, wird sie den Erfolg der von ihr geförderten Projekte auch überprüfen können." Weger hat in der Fachzeitschrift "Stiftung & Sponsoring" erste Lösungsansätze präsentiert. Die Grundidee: Stiftungen sind nichts anderes als Unternehmen für das Gemeinwohl - und daher auch genauso professionell wie ein mittelständisches Unternehmen zu managen. "Ohne Marktbeobachtung, Planung, Controlling und Erfolgsrechnung könnte kein Unternehmen überleben", sagt Weger. "Für eine Stiftung, die im Sinne des Stifterwillens erfolgreich sein will, gilt dasselbe."
Stiftungen in den USA haben dieses Credo schon länger verinnerlicht. Während in Deutschland noch weitgehend Ratlosigkeit herrscht, wurden in den USA speziell für kleine Stiftungen mit wenig Personal bereits Handbücher und Checklisten zur Erfolgsmessung erarbeitet. Leider sind die "amerikanischen Modelle nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar", sagt Berthold Schobert, Geschäftsführer des Kölner Evaluations-Instituts Univation. Aber Anregungen ließen sich durchaus aufgreifen, Lehrstühle oder Managementberatungsstellen etwa. Denn auch Geld verschenken will gelernt sein.